Über Suchmaschinen und Emotionen

Lassen sich Maschinen bald von emotionalen Texten mitreißen? Danach sieht es aus. Aber vor allem begeistern solche Texte Menschen. Ein Beitrag über Linguistik und Suchmaschinenoptimierung.

Ein grauer Roboter mit roten Füßen und einem Schraubenschlüssel als Hand.

Guter Content und schlechte SEO-Texte

Der Mensch ist nicht dumm, die Maschine war es lange Jahre (leider) schon. Das hat zu fiesen Textwüsten und Keyword-Stuffing geführt. Verständlicherweise, schließlich war das der Weg, um bei Google ganz vorne zu landen. Und noch ist die Zeit der unsittlichen „SEO-Texte“ auch noch nicht ganz vorbei, aber ihr Ende naht. Google arbeitet mit Hochdruck daran, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Doch was kann so eine Maschine schon tun, außer die Wörter auf einer Seite zu scannen? Eine ganze Menge, wie sich herausstellt.

Syntax, Semantik und Pragmatik

Denn Google und andere Suchmaschinen meistern die menschliche Sprache mehr und mehr. Längst erkennen sie nicht mehr nur Worte und ihren Aufbau (Syntax), sondern auch deren Zusammenhang und Relation (Semantik). Nun folgt der bedeutende Schritt: Google und Co. sind dabei, auch die Pragmatik eines Textes, also seine Intention, zu erkennen und auszuwerten.

Das straft sowohl veraltete SEO-Vorgehen wie auch stupide Inhaltserstellung ab: War einst nur wichtig, was man schreibt, ist heute immer bedeutungsvoller, wie man schreibt.

Zwei Personen aus dem Team von visuellverstehen stehen am Schreibtisch.
Menschliche Kommunikation ist sehr vielschichtig – doch künstliche Intelligenz entschlüsselt sie immer besser.

Guter Stil

Den Anfang machen, ganz banal, die korrekte Or–tho–gra–fie und die Grammatik. Feiner wird die Abstimmung über die korrekte Wortwahl. Der gewählte Wortschatz (gerne auch das Wording genannt) für einen Artikel oder die vorliegenden Inhalte müssen zur Zielgruppe passen. Hat man es mit einer Leserschaft von Expert*innen zu tun, ist Fachjargon schlicht angebracht. Eine zu starke Vereinfachung des Vokabulars wäre hier fehl am Platz.

Anders ist dies bei einem allgemeinen Publikum, dessen Verständnis der Materie man nicht voraussetzen kann. Darüber hinaus spielt Interpunktion eine wichtige Rolle: Der Einsatz von Gedankenstrichen, Doppelpunkten, Kommata und Co. bestimmt das Tempo und die Lesart eines Textes. Die Interpunktion schafft Pausen und Betonungen – es–sen–zi–elle Werkzeuge für die emotionale Ansprache.

Und die Zukunft? 

Richtig futuristisch wird es, wenn man auf die weiteren Pläne der Tech-Konzerne blickt: Über Mimikerkennung, Atemanalyse, Herzschlag (Stichwort Smartwatches) und Augenbewegungen sollen die Suchergebnisse eines Tages sogar von der jeweiligen Gemütslage der Nutzenden abhängen.

Die emotionale Ansprache der Nutzer*innen auf Textebene wird damit zum Erfolgskritierium – und ist es bereits heute. Vielleicht noch nicht auf Ebene der Suchmaschinenplatzierung, aber ganz sicher, wenn es um die Qualität von Content und seinen Einfluss auf die Lesenden geht.

Ein leuchtendes Smartphonedisplay mit bunten App-Icons im Dunkeln.
Über Fingerabdruck-Scanner und Kamera lassen sich biometrische Daten sammeln.

Das EPLT-Modell

Denn Content ist immer dann besonders erfolgreich bei Menschen, wenn er es schafft, dass die User*innen eine emotionale Bindung zum Inhalt, zur Marke und dem Unternehmen dahinter aufbauen. Das heißt natürlich nicht, dass jede*r Leser*in bereits am Ende des ersten Absatzes lachend oder weinend vor dem eigenen Laptop sitzt – oft geht die emotionale Bindung viel subtiler vonstatten.

Um sie überhaupt entstehen zu lassen, hat sich das sogenannte EPLT-Modell als ein erfolgreicher Ansatz etabliert. Es beschreibt einen vierstufigen Text-/Content-Aufbau, der die User*innen gezielt abholt, durch den Content führt und fokussiert auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet ist. Das sieht wie folgt aus:

  • Empathie
  • Problem
  • Lösung
  • Testimonial

Empathie

Um Empathie aufzubauen, müssen Unternehmen verstehen, was ihre Kund*innen wollen. Wo liegen ihre Probleme, ihren Intentionen und Wünsche im Alltag? Und wie kann das eigene Produkt, die eigene Website oder die eigene Dienstleistung dabei helfen, Verbesserung oder gar Erfüllung zu schaffen? Das mag in manchen Fällen recht einfach sein, in anderen ist es sehr schwer.

Verkaufe ich beispielsweise Handseife, könnte ich denken, es ginge meinen Kunden primär darum, saubere Hände zu haben. Doch diesen Wunsch erfüllt so ziemlich jede Handseife auf der Welt. Was suchen meine Kunden darüber hinaus? Den günstigsten Preis? Den exklusivsten Duft? Die nachhaltigste Verpackung? Ein regionales Produkt? Etwas, das zur eigenen Badezimmer-Deko passt? Wie auch immer die Antwort ausfällt: Knackpunkt ist es, die eigene Zielgruppe zu verstehen, sie ernst zu nehmen und dafür zu sorgen, dass die User*innen sich verstanden fühlen. Sie möchten erfahren, dass sie mit ihrem Problem (im oberen Beispiel: Welche ist die beste Handseife für mich?) nicht allein gelassen werden und ein Unternehmen gefunden haben, das sich genau damit intensiv auseinandersetzt. Textlich könnte sich das folgendermaßen lesen:

„Du hast Plastik den Kampf angesagt und ärgerst dich bei jedem Drogerie-Besuch über die unnötige Verpackung. Besonders für die Handseife in deinem Bad findest du einfach keine nachhaltige Lösung. Stückseife kommt für dich nicht in Frage, weil man sie weder sauber noch hygienisch lagern kann, ohne ständig das Waschbecken reinigen zu müssen. Nachfüllpackungen sind ebenfalls unbefriedigend, da auch hier Plastik anfällt und das Befüllen der Behälter mühsam ist.“

Problem

Es ist ebenfalls wichtig, das konkrete Problem der Zielgruppe zu benennen. Daher es ist zu Beginn der Kommunikation erst einmal nicht so entscheidend, was mein Produkt oder meine Dienstleistung eigentlich kann, sondern einen Rahmen zu schaffen, der Leser*innen auf eine bestimmte Lösung lenkt. Es muss ein Kontext geschaffen werden, in dem die User*innen sich ihrer Probleme beziehungsweise ihrer Wünsche bewusst werden, um anschließend offen für eine Lösung zu sein.

Ein Strand voller Müll.
Der Einfluss von Produkten auf die Umwelt ist ein Problemfeld, mit dem sich Verbraucher zunehmend beschäftigen.

Lösung

Daraufhin ist es am Unternehmen, eine passende Lösung zu präsentieren. Diese sollte das Bedürfnis der Kund*innen sinnvoll, schlüssig, verständlich und greifbar erfüllen. Umso einfacher die Implementierung, desto besser. Bonuspunkte gibt es, wenn sich der Erfolg der Lösung glaubhaft belegen lässt, beispielsweise durch Studien oder Expertenstimmen.

Im Falle unseres bisherigen Beispiels könnten Seifenspender aus Bambus präsentiert werden, die aus nachhaltigem Anbau stammen und zu 100 % recyclebar sind. Eine Vergleichsgrafik könnte zeigen, wie viel Plastik durch den Umstieg auf die neue Seife jährlich eingespart würde, während ein*e Expert*in für den besseren Hygienefaktor gegenüber Stückseife argumentiert.

Testimonials

Sind die User*innen überzeugt, möchten sie gern wissen, ob sie dem Unternehmen auch vertrauen können. Denn die Angst auf falsche Versprechen oder unwirksame Wundermittel hereinzufallen, ist (zu Recht) verbreitet. Hier helfen die sogenannten Trust-Signale: Kundenbewertungen, Prüfsiegel, Zertifikate und Influencer*innen zählen unter anderem dazu.

Unsere Bambusseife sollte beispielsweise mit einem Öko-Label und Nachhaltigkeits-Zertifikat daherkommen, Kundenstimmen könnten sinnvoll sein. Auch hier gilt jedoch, die User*innen nicht zu unterschätzen und vor allem die Wahrheit zu erzählen. Wer nur 5-Sterne-Bewertungen und Jubelarien auf die eigene Website setzt, wirkt wenig glaubhaft.

Ein altertümliches Siegel mit dem visuellverstehen-V liegt auf einem Tisch, daneben schwarzes Wachs mit demselben Aufdruck, das gerade trocknet.
(Positive) Bewertungen durch andere Kunden sowie Qualitäts-Siegel geben Sicherheit.

Fazit

Also liegt es nur an schlechten Texten, dass sich Produkte nicht verkaufen? Selbstverständlich nicht. Grundlage für jedes erfolgreiche Geschäft sind die passenden Qualitäten des Produktes oder der Dienstleistung. Wenn die Erwartungen der Kund*innen nicht erfüllt werden, kann der Content noch so schön sein – auf lange Sicht wird sich kein Erfolg einstellen.

Mitnehmen sollte man aber Folgendes: Die Linguistik ist ein starkes Werkzeug bei der Content-Erstellung und in der Vermarktung – sei es für Websites oder Onlineshops. In einer zunehmend digitalen Welt reichen reine Präsenz und Information nicht mehr aus. Zunehmende Vergleichbarkeit und ein globalisierter Markt erhöhen den Druck auf Unternehmen, ihr Produkt oder ihre Dienstleistung ins beste Licht zu rücken. Genau dabei kann das EPLT-Modell helfen – nicht als Allheilmittel, aber als gezieltes Werkzeug der Content-Kreation. Denn die pragmatische Kompetenz von Texten, ihre Fähigkeit, Kund*innen emotional zu binden und gleichzeitig zu informieren, ist die neue Messlatte – für Menschen und (bald) eben auch für Maschinen.

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